Ich sitze im Wartezimmer und blättere durch eine Familienzeitschrift. Überschriften stechen mir ins Auge: „So lernt Ihr Kind schlafen“, „Wie Sie den Tyrannen im Kinde besiegen!“, „So klappt es mit der Breikost!“…. blöde Themen…

Ich zappe mich durch Facebook und Co. Da tönt es in den Mamagruppen: „Ein Kind vom Tisch aufstehen zu lassen, ist mit antiautoritärer Erziehung gleichzusetzen.“, „Wie, du hast keine Matte zur Überwachung der Atemkontrolle?“, „Muss ich wirklich einen Reboarder kaufen?“, „Warum hört mein Kind nicht?“  „Wie macht ihr das mit dem Trockenwerden?“… ich lege das Handy zur Seite…

Ich denke an TV-Experten, die mir etwas über die richtige Erziehung erläutern möchten: „So funktioniert das mit den Wutanfällen.“, „So schläft ihr Kind gesund und sicher.“. Alle auf der Welt scheinen mehr über mich und mein(e) Kind(er) zu wissen als ich selbst. Was muss ich nur für eine grottige Mutter sein?

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Bauchgefühl? Bist du da unten, irgendwo?

Mein früheres Ich, sagen wir vor gut 4 Jahren, befand sich genau in dieser zermürbenden Spirale: „Mache ich alles richtig?“. Ständig überlegte ich, wie es wohl „richtiger“ ist und „besser“ und welcher Weg „DER RICHTIGE“ ist, um mein Kind zu einem selbstbewussten, anständigen, wissbegierigen, offenem aber dennoch nicht zu offenen Menschen heranwachsen zu lassen. Ich gebe es zu, dass ich in der ersten Zeit, als der Große auf der Welt war, eine Überforderung – ja nahezu eine Ohnmächtigkeit – fühlte – eine Überforderung, die auf meine plötzliche „Macht über ein Kind“ und die damit verbundene Unsicherheit und Verantwortung basierte. Und was tut Mama, wenn sie unsicher ist? Tja, damals googelte ich, las Ratgeber, schaute Sendungen, wälzte Youtube, fragte Erzieherinnen oder rief meine Mutter an (die Mama erwies sich in jeder Hinsicht als die beste Lösung). Was ich aber damals selten tat, war einfach mal meinem ureigenen Gefühl zu vertrauen und darauf, dass ich instinktiv weiß, was für mich und mein Kind die richtige Entscheidung sein wird. In was solch eine Unsicherheit ausarten kann, dazu muss ich nicht viel sagen – darüber haben wir vor längerer Zeit bereits geschrieben.

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Klar war für mich eines: Dieser selbstgemachte Druck und dieses ständige unsichere danach fragen, was nun wohl zu tun ist und wie man nun richtig erzieht, kann weder für mich, noch für die Kids auf Dauer gut sein und dann kam dieser Wendepunkt, der mich wachrüttelte und umdenken lies und im Nachhinein gesehen wohl den Anstoß zu Umdenken gab. Der Große wollte nicht schlafen, er wollte schon gar nicht alleine schlafen und er brauchte abends Stunden zum „runterfahren“. Wir waren verzweifelt, sagte man doch, dass ein Baby im Schlafsack schlafen müsste, ohne Nestchen im eigenen Bett. Wie hätte ich es verantworten können, mein Kind in den Tod zu stürzen? Das mag sich aus heutiger Sicht lächerlich anhören, aber für mich war das eine reale Denkweise – wenn ich etwas nicht nach Vorgabe mache, bringe ich mein Kind in Gefahr. Das Schlafproblem nahm irgendwann einen großen Stellenwert bei uns ein und irgendwie fand sich keine Lösung, die mich glücklich machte und doch dem Kind laut Ratgebern die nötige Sicherheit gab. Das Kind unter meine Decke zu legen und dann vlt. nachts drüber zu rollen oder es zu ersticken – nein, das wollte ich nicht.  Nach unserem Umzug in die größere Wohnung gab mir eines Tages meine Vermieterin ein Buch in die Hand und sagte, ich solle es lesen, ihre Tochter hätte es damals gelesen und es hätte ihr geholfen die Dinge anders zu sehen. Auf dem Buch war eine Indianerfrau abgebildet, tragend mit einem Kind und es stand in großer Schrift darauf „Auf der Suche nach de verlorenen Glück“

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Dieses Buch war kein typischer Ratgeber, es ist eine Schilderung von Eindrücken, die eine junge Dame bei ihrem Treffen auf  Yequana-Indianer gesammelt hat. Im Buch wird kein „so ist das richtig“ fokusiert. Es wird einfach wiedergegeben, wie diese für uns „wilden Indianer“ leben und ihre Kinder „erziehen“. Das Buch hat natürlich auch ein paar Kritikpunkte verdient. Man kann es einfach nicht hernehmen und eins zu eins auf seinen Alltag münzen, schon gar nicht bei größeren Kindern. Und doch war es für mich eine Art Schlüssel, denn es hat eine wichtige Offenbarung für mich bereitgehalten, die ich auch heute immer wieder aufrufe und dir gerne weitergeben möchte:

HÖR auf dein Bauchgefühl und VERTRAUE deinem Instinkt! Es ist völlig egal, was andere denken und wie es andere handhaben – DU bist die Mutter deines Kindes, du hast es geboren, du weißt, was für euch gut ist…

 

Was die Indianer von uns unterscheidet…

Noch lange nachdem ich das Buch gelesen habe, dachte ich darüber nach, was wir hier in Deutschland wohl anders machen und warum es uns verdammt nochmal so schwer fällt auf unseren ureigenen Instinkt zu vertrauen und in uns und unsere Kinder hinein zu fühlen. Die Gründe sind so vielschichtig meiner Meinung nach: Wir machen uns zu viele Gedanken um Nichtigkeiten, wir sind total manipulativ, wir setzen falsche Prioritäten, wir haben falsche Wertvorstellungen, wir neigen zu Perfektionismus, wir sind nicht bereit uns als Eltern selbst zu lieben und mit unseren Leistungen zufrieden zu sein (mehr geht schließlich immer, oder nicht?), wir sind nicht dazu bereit uns mit unseren Fehlern anzunehmen und wir möchten es besser machen – besser als die Generationen vor uns und die, die mit uns lebt, ja – vlt sogar besser als die Generationen, die nach uns kommen werden. Hinzu kommen zig Bücher, Sendungen, Hefte und Co, die alles empfehlen – aber eben kein RICHTIG und FALSCH. Das alles wird zu einer explosiven Mischung aus meiner beschriebenen Unsicherheit und dem Drang stets das Bestmöglichste zu tun für das eigene Kind. Unser innersten Bauchgefühl hören wir dabei vielleicht oft, aber wir schieben es weg und denken uns im Stillen: „Nein, ich kann doch jetzt nicht das Kind mit ins Bett nehmen – das ist doch gefährlich.“, oder „Aber das Kind muss doch 6 Monate gestillt werden und dann muss die Breikosteinführung beginnen – anders ist es falsch.“ Wir haben in den letzten Jahren gelernt in vielen Dingen „Folge zu leisten“ und dabei unser eigenes Gefühl, dass vlt. sagt „Achtung, mach das nicht…“ oder dann doch wieder meint: „Egal, was sie sagen, nimm ihn hoch und umarme ihn jetzt feste“ einfach zu ignorieren. Ich habe mich manchmal sogar dabei erwischt das eigene Gefühl als „falsch“ abzustempeln und dann lieber den Rat des „Experten“ zu bevorzugen…
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Die Lösung: Schmeiß die Ratgeber weg und suche den Indianer in dir!

Nachdem ich das Buch gelesen und auf mich wirken lassen habe, war ich regelrecht inspiriert und befreit. Das klingt jetzt doof, aber wer mich kennt als der große Sohn ein Baby war und mich kennt als der Kleine ein Baby war, der weiß, dass ich wahrscheinlich in Sicherheit und meiner „Weltanschauung“ eine 180 Grad Drehung hingelegt habe. Mir hilft es noch heute dabei die kleine „Indianersabrina“ in mir zu suchen und mich zu fragen, was sie wohl tun würde. Die Indianersabrina würde keinen Ratgeber lesen, weil sie nicht lesen kann. Sie würde auf ihr Gefühl horchen und darauf vertrauen, was ihre Familie damals mit ihr gemacht hat und sich evt. den Rat ihrer Mutter und Großmutter suchen. Sie würde ihrem Kind respektvoll begegnen und sich keine großen Gedanken darüber machen, was ein Nestchen ist und wie das aussehen darf. Für sie wäre es klar, dass das Kind bei ihr schlafen muss, in ihrer Nähe – um sich gegenseitig zu wärmen und ihm Schutz zu bieten. Sie weiß, dass sie ein Baby hat und sie würde es stillen wenn es Hunger hat, denn sie hat keinen Wecker, der ihr sagt, dass 4 h um sind. Sie kennt keine 20 Babygläschenanbieter und 10 Windelarten. Die Indianersabrina würde es als selbstverständlich empfinden Hilfe und Unterstützung von anderen Indianerdamen anzunehmen und diese entsprechend zurück zu geben. Wie sonst sollte sie den Alltag mit ihren Kindern sinnvoll bewältigen? Für sie ist es keine Frage ihrem Kind Kompetenzen zu übertragen und ihrem Kind zu vertrauen, dass es Probleme altersbedingt meistert. Die Indianersabrina hat keine Angst dem Kind zum Zubereiten von Mahlzeiten ein Messer in die Hand zu geben. Wie soll es sonst lernen, sich eines Tages zu versorgen, außerdem ist es doch selbstverständlich, dass auch die Jüngsten altersgerecht schon mit anpacken (dürfen). Für die Indianersabrina ist jedes Kind ein vollwertiges Stammesmitglied, wie sonst sollte es seinen Platz in der Gemeinschaft finden? Wenn sich die Indianersabrina unsicher ist, dann schaut sie nicht irgenwelche TV Sendungen – sie hat ja nicht einmal einen – Sie fühlt in sich hinein, sieht ihr Kind an und fragt ggf. ihre Mutter oder Stammesmitglieder nach Rat. Und zu guter Letzt braucht die Indianersabrina sich keine Gedanken darüber machen, ob ihr Kind ein Tyrann werden könnte, ein verwöhntes Balg oder ein Kind ohne Grenzen. Diese Begriffe gibt es hier nicht und sind bedeutungslos, da jedes Kind genauso angenommen wird, wie es geboren wurde und seinen Platz in der Gemeinschaft finden wird.

Ja und auch, wenn jetzt einige Mamis aufgeschreckt denken, dass diese Haltung und Denkweise verantwortungslos sei und man ärztlichen Rat oder Ratgeber nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte: Natürlich gibt es Momente im Leben, da ist bspw. eine Diagnose goldwert und man kann dann schlecht sagen „nö, ich höre jetzt aber auf mein Gefühl – da ist nichts!“, aber es würde uns in vielen Momenten helfen diese ganzen Tipps und Ansagen beiseite zu schieben, nicht ganz so auf die Goldwaage zu legen und unserem Instinkt zumindest eine Chance zu geben.

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Heute – Die Indianerin in mir tanzt IHREN Stammestanz

Ich habe mir geschworen, dass ich mir in Bezug auf MEINE Kinder zwar Meinungen anhöre, aber mir diese nicht annehmen muss. Ich fahre gut damit und es fällt mir leichter anderen Mütter tolerant gegenüber zu treten. In vielen Situationen frage ich mich ganz bewusst: Wer trägt die Konsequenz dafür? Die trägt nicht der Frauenarzt, der Kinderarzt oder der Zahnarzt – die trägt auch kein Lehrer oder das blöde Heft im Wartezimmer. Die Konsequenz tragen wir Eltern für unsere Kinder bzw. die Kinder selbst und dann ist es doch völlig legitim, wenn wir uns entscheiden können, ohne uns dafür beim Nachbar oder Frau Miesepeter rechtfertigen zu müssen. Und wenn Frau Miesepeter meint, dass meine Ansicht falsch wäre, dann kann ich das nicht ändern, aber ich muss ja auch nicht mit Frau Miesepeter enge Kontakte pflegen und ihr meine Kinder überlassen 😉

Ja, ich nehme meine Kinder mit ins Bett. Ja, meine Kinder dürfen Wutanfälle haben – hab ich ja selbst auch manchmal, Ja, sie dürfen auch mit 2 Jahren schon (altersgerecht) das Familienleben mitgestalten und Entscheidungen treffen; Ja, ich ziehe es vor auf einer Ebene mit meinen Kindern zu reden und doch nehme ich es mir heraus ihnen zu zeigen, dass gewisse Verhaltensweisen in unserer Gemeinschaft nicht erwünscht sind. Ja, ich lasse meine Kinder mit Messern werkeln. Ja, ich vertraue darauf, dass meine Kinder ein angeborenes Interesse für ihre Umwelt mitbringen und ich dieses nur erkennen muss. Ja, ich gelte gerne als weich oder zu lasch, weil es sich für mich gut und richtig anfühlt und ja, alle anderen können es gerne anders machen und dann ist es trotzdem richtig, weil es kein richtig und kein falsch gibt!

Wir machen so lange alles gut , wie wir aus Liebe handeln und uns nicht gegen unseren eigenen Instinkt wehren.

In diesem Sinne

<3 Sabrina