Man mag es kaum glauben, aber vor ein paar Monaten lief ich wie eine orientierungslose Mutter durch die Gegend und grübelte darüber, was ich bin, wer ich sein möchte und vor allem wie ich meine Kinder erziehen möchte. Ich habe Tage damit zugebracht mich zu analyiseren, meinen „Erziehungsstil“ zu erörtern, mich infrage zu stellen, Definitionen zu lesen, sie auf mich wirken zu lassen und dann doch wieder festzustellen, dass ich mich nicht mit einem Namen 100% identifizieren kann. Und doch werde ich immer wieder (vor allem bei Insta) gefragt welchen Erziehungsstil ich verkörpere und die ehrliche Antwort ist: gar keinen so richtig.
Wer meiner Seite schon ein wenig länger folgt, der wird gewiss eine Richtung erahnen, aber mir fällt es inzwischen so unheimlich schwer mich als „bedürfnisorientiert“ zu bezeichnen oder als „unerzogen“ (nicht weil ich es nicht mag, sondern weil ich einfach nicht 100% mitgehe(n) kann). Noch mehr sehe ich mich aber von „autoritär“ entfernt und wenn ich noch tiefer greife, dann bin ich wahrscheinlich am ehesten „demokratisch“ in meiner Erziehungsweise, aber eben auch nicht in jeder Lebenslage. Wenn ich eines gemerkt habe, dann ist es die Tatsache, dass ich vor allem eines bin: Mensch und ja, ich mache Fehler. Es gibt Tage, da schimpfe ich die Kinder. Es gibt Tage, da sage ich ungerechte Dinge und es gibt Tage, da habe ich keine Lust mich demokratisch zu verhalten, weil ich auch keine Energie habe zunächst nach allen Bedürfnissen von 5 Mitgliedern zu suchen und dann einen Kompromiss zu finden. Ja, es sind die Momente im Alltag, bei denen mir ein ganz großes „OVER an OUT“ auf der Stirn geschrieben steht und man keine Lust darauf hat darüber nachzudenken, was Pädagogen, Psychologen oder andere Mütter nun tun würden. Tja, und dann sehe ich sie – meine 3 Rabauken und finde sie so wie sie sind unheimlich perfekt und ärgere mich dafür, dass ich sie durch meine Launen doch ein wenig manipuliere.
Orientierungslosigkeit in Sachen Erziehung
Gerade in der heutigen Zeit habe ich das Gefühl, dass man sich zuordnen müsse. Es ist nicht nur im Netz oder als Blogger so, sondern auch im Privaten wird ganz genau darauf geschaut, wer man ist, wie man erzieht und welche Weltanschauung man denn vertritt. Das ganze Erziehungsthema ist präsenter denn je. Es ist wie ein Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Die Möglichkeiten sind unzählig vorhanden und viele Erläuterungen und Ansichten scheinen einleuchtend. Doch gerade die Auswahl macht es so schwer – man will nichts falsch machen. Früher gab es „den einen richtigen Weg“. Heute gibt es 1000 mögliche, „richtige“ Wege.
Ich habe mich aus diesem Grund dafür entschieden einfach Mensch zu sein und Fehler zu zulassen. Mir war der Druck zu groß ständig auf den Punkt genau funktionieren zu müssen und wirklich jede kleine Handlung meinerseits stundenlang zu interpretieren und analysieren. Ich will keine Rolle spielen, die ich nicht bin. Ich vertraue oft meinem Bauchgefühl – wenngleich aus der bedürfnisorientierten Richtung gesagt wird, dass das eigene Bauchgefühl „trügerisch“ sei, weil es mit der eigenen Kindheitserfahrung „verseucht“ ist. Wir leben hier zusammen und sind gleichwertige Menschen. Trotzdem sehe ich die Verantwortung für unsere Kinder (und natürlich uns selbst) bei mir als Mutter und bei meinem Partner. Für uns gilt es einschätzen zu können, wie viel Kompetenzen wir unseren Kindern zusprechen können (bspw. Straßenverkehr) und welche Verantwortungsbereiche unsere Kinder schier überfordern würden (bspw. alleine sich um ein Haustier kümmern) . Es ist unsere Aufgabe uns als Ganzes zu sehen und die Bedürfnisse aller zu vereinen ohne sich selbst zu vergessen, ohne sich selbst aufzuwerten. Wir sind Zuhörer, Lehrmeister, Freunde, Partner, Halt, Sicherheit und manchmal eben auch die Implusgeber. Wir alle – nicht nur wir Eltern – auch die Kinder.
Die Sache mit dem Vorbild
Wir sind auch Vorbilder. Gerade im zwischenmenschlichen Bereich sollte man das nicht vergessen. Vorbild sein, bedeutet für mich gegenüber Dritten Toleranz zu zeigen, auch wenn man vielleicht nicht die Meinung teilt. Vorbild sein, heißt für mich, mich sich selbst nicht zu vergessen vor lauter Sorge um die Kinder. Vorbild sein heißt für mich auch ein „Nein“ aussprechen zu dürfen, wenn es meine persönlichen Grenzen berührt und Vorbild sein bedeutet auch Fehler zu machen und diese zuzugeben. Ich habe Angst, dass sich die Elternrolle in einen Perfektionswettkampf entwickelt und wir vergessen, wer wir eigentlich sind oder besser gesagt, worum es eigentlich geht/ging: UNSERE Zukunft. Lasst uns unsere Kinder so lieben, wie sie sind und dafür braucht es keinen Titel oder Erziehungsnamen, dafür braucht es: Vertrauen, liebevolles Begleiten und aktives Vorleben, wie man ein erfülltes und zufriedenes Leben führt. Erziehung fängt vor allem bei uns an – ganz tief drinnen <3
Wie hältst du es? Wie lebst du? Was denkst du darüber?
P.S. meine Büchertipps habe ich für einige Zeit hier gepostet. Sie sind allesamt für mich eine Bereicherung gewesen *klick*
Sabrina
Liebe Sabrina,
danke für diesen Artikel! Ganz besonders mag ich deine zwei letzten Sätze: es geht nicht um den Namen sondern um das, was wir tun und wo wir hin wollen. Und mit „Vertrauen, liebevollem Begleiten und aktivem Vorleben“ gibst du deine Kindern meiner Meinung nach genau das, was kleine Menschen zum gesunden groß werden brauchen: Vorbild statt ständiger Manipulation, Raum zum Entfalten aber eben auch Halt. Da dürfen Kinder und große Menschen Fehler machen und daraus lernen. Wir leben ähnlich. Wobei mein Bauchgefühl tatsächlich nicht immer ein guter Ratgeber ist, da kommt oft ein wütendes, nachtragendes, unheimlich autoritäres kleines Kind zum Vorschein – genau das, was als Kind weg-manipuliert aber nicht verarbeitet wurde. Und deshalb bin ich der aktuellen Diskussion, auch wenn sie unübersichtlich und oft viel zu wenig respektvoll mit fremden Meinungen ist, sehr dankbar – sie regt zum reflektieren des eigenen Verhaltens an und nur daraus kann eine Veränderung entstehen. Und wenn ich mir ansehe, wie wenig respektvoll in allzuvielen Zusammenhängen mit kleinen und großen Menschen umgegangen wird, dann haben wir als Gesellschaft noch ein paar Dinge zu verbessern. Ist doch schön, wenn unsere Kinder ein besseres Gespür für gegenseitigen Respekt erfahren und erlernen dürfen.
Danke, dass du über solche Themen schreibst!
Viele Grüße,
Maria (OstSeeRäuberBande)
Hallo Maria, ja das ist es. Es ist so viel Luft nach oben und mir zu einfach zu sagen „es ging schon immer so…“
Super geschrieben! Das kann ich nur unterschreiben. Ich sehe mich auch irgendwo als Mischwerk der Erziehung. Bedürfnisse – sehe und befriedige ich, wann immer möglich. Allerdings hat man als Mama auch Bedürfnisse. Eine Familie ist immer Zusammenspiel von allen gemeinsam. Und Kinder sind Lernende. Eltern die „Erzieher“. Und da lernt dann Kind eben auch mal , Mama hat schlechte Tage. Mama lernt: Kind hat auch mal schlechte Tage. Und mit Rücksicht, Feingefühl und Respekt funktioniert es dann irgendwie. Ich wollte nie so erziehen, wie ich erzogen worden bin. Leider fällt man manchmal da schnell rein. Aber ich versuche immer im Blick zu behalten, dass es uns allen gut gehen muss. Und einem Kind gehts nicht gut, wie du so schön schreibst, wenn man es „unerzogen“ lässt. Eins der Grundbedürfnisse von Kindern ist nämlich meiner Erfahrung nach auch Anleitung und Hilfe. Oder mal eine Klare Grenze zu sagen – bis hier hin und nicht weiter. Brauchen wir alle doch letztendlich 😉 und die Grenzen gibt man sich in der Familie doch automatisch gegenseitig vor!
Endlich eine Beschreibung eines „Erziehungsstil“, der meinem entspricht. Ich bin heute sooo froh, dass es vor knapp 14 Jahren mit dem Internet noch nicht so verbreitet war und ich auch keinen Zugang zu Erziehungsratgebern in Buchform hatte. So konnte ich ganz in Ruhe auf meinen Bauch und mein Baby hören, ohne den äußeren Zwang, sich einem Stil zuordnen zu müssen!!!
Ich danke dir! Das Internet bringt uns viele Vorzüge aber eben auch manchmal den Nachteil, dass ziemlich viel auf uns dort einströmt.