Wir schreiben das Jahr 2010. ich: schwanger, Anfang 20 und so viele Vorstellungen vom Muttersein. In meiner Fantasie ist es bunt, liebevoll und ich male mir eine wunderschöne, zufriedene Familie aus, bei der in großer Schrift das Wort „Frieden“ an der Wand aufblinkt.

2011: Der Zwerg ist da und obwohl alles recht unkompliziert scheint, habe ich das Gefühl eine Rolle zu bedienen. Ich bin verunsichert und frage mich häufig, ob ich richtig handle, ob ich genug mache und ich die korrekten Entscheidungen treffe. Keine Frage: Ich will das Beste für mein Kind. Ich will, dass es ihm gut geht und ich wünsche mir aus tiefstem Herzen, dass unser Zusammenleben funktioniert, er später seine Träume verwirklichen kann und ein unbeschwertes Leben führt. Ich fühle oft die Angst etwas falsch machen zu können oder nicht perfekt zu sein und neige dazu mich von der Angst heraus leiten zu lassen. Ich lese viel und trotzdem weiß ich nicht so richtig, wo ich gerade stehe.

2013: Mein Sohn hat einen Sprung gemacht. Er läuft und spricht. Er geht durch das Leben und es passieren erste Missgeschicke. Ein Glas fällt runter, Schränke werden ausgeräumt, das Essen im Raum verteilt. Der Kindergartenbesuch steht an und ich sehe, dass es ihm nicht so leicht fällt. Ich beobachte andere Mütter, tausche mich mit Freunden aus und ich schaue, wie sich unser näheres Umfeld verhält. Noch immer bin ich mir nicht sicher, wer ich bin und wie ich sein soll. Für mich ist aber klar, dass ich mir von meinem Kind nicht auf der Nase herumtanzen lassen will. Diese Kinder, die sich in den Supermärkten in die Gänge schmeißen, weil sie die Schokolade nicht bekommen, oder die Kinder, von denen sie erzählen, dass sie Wutanfälle bekommen und um sich hauen. All das will ich nicht. Für mich steht fest: Ich muss ihn führen und zeigen, wie man sich so benimmt auf dieser Welt.

Je mehr er kann, desto mehr muss ich regulieren, kontrollieren und eingreifen. Ich finde den Alltag mühsam, schwierig und komme oft an meine Belastungsgrenze. Der Alltag ist gespickt durch Verbote, Gebote, Erlaubnisse, Regeln, Grenzen, Vorgaben, Vorschriften, Macht. Die Macht hatte dabei ganz klar ich als Mutter bzw. wir Eltern. Ich war größer, älter, erfahrener, verantwortungsbewusster, klarer und besser. Er war das Kind. Er war klein, unwissend, musste von mir gezeigt bekommen, wie die Welt funktioniert und durch meine Führung konnte er lernen, wie man sich zu verhalten hat.

Der Aha Moment in meinem Leben

Ende 2013: Ich bin schwanger. Die Tage werden immer mehr zum Kampf. Fast jeden Tag streite ich mich mit meinem Sohn. Warum hört er einfach nicht? Warum provoziert er mich ständig? Was habe ich ihm nur getan? Ich bin gestresst, meine Nerven liegen blank. Dieses Kind treibt mich noch in den Wahnsinn. Ich maule ihn voll und sage in einem Moment einen Satz zu ihm, den ich nie vergessen werde. Schon morgens vor der Kita gab es Theater. Die Schuhe wollte er nicht anziehen, den Weg wollte er nicht laufen und ich nahm ihn an der Hand und riss ihn unsanft hinter mir her. „Du gehst jetzt sofort mit. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit für dein Theater.“ Er bockte und streubte sich. Er wollte nicht so behandelt werden und je mehr er gegen hielt, desto mehr machte es mich rasend. Irgendwann preschte aus mir der Satz: „Weißt du, wie du zu mir bist – Das ist böse!“. In dem Moment schaute mich der kleine Kerl mit großen Augen an und ich bereute direkt meine Worte. Mir war klar: Wir hatten uns bereits voneinander ein Stück weit entfernt.

„Aber jemand, der ständig genervt und wütend auf die Kinder schaut, kann nicht da sein. Jemand, der ständig schimpft, dem erzählt man nicht gerne etwas“

Es war sicher nicht der einzige Moment, aber doch einer von vielen, der mir zeigte, dass ich so nicht weiter machen möchte. Ich hatte keine Lust mehr darauf mir immer wieder neue „Strafen“ auszudenken. Ich wollte nicht ständig kämpfen. Ich will nicht „die blöde meckernde Mutter“ sein. Wo war das Gefühl hin, als er auf die Welt kam? Kein Haar hätte ich ihm gekrümmt. Ich will mich nicht immer weiter entfernen. Eigentlich wollte ich genau das Gegenteil: Da sein. Aber jemand, der ständig genervt und wütend auf die Kinder schaut, kann nicht da sein. Jemand, der ständig schimpft, dem erzählt man nicht gerne etwas.

Mein Lieblingsbild, geschossen von Karolin Rögner www.karolinroegner.com

2014: Ich begann in mich zu gehen und zu überlegen, was falsch läuft. Ich redete mit meinem Mann viel darüber und wir waren uns einig, dass Stress eine große Rolle in unserem Alltag spielte, Stress den wir als Erwachsene uns selbst machen. Wir stimmten überein, dass wir unseren Sohn sehr oft ermahnten und vielleicht auch ein wenig zu viel von ihm erwarteten und verlangten. Auch war uns klar, dass diese ewigen Machtkämpfe für alle eine Belastung waren und je größer unser Sohn P. wurde, desto mehr Regeln, Strafen und Konsequenzen mussten wir uns einfallen lassen. In mir floppte eine Frage immer und immer wieder nach oben: Was mache ich, wenn er aber meine Regeln übergeht und meinem „wenn, dann sonst…“ irgendwann nicht mehr Folge leisten wird? Was sollte die Steigerung sein? Wo sollte das enden?

Mit diesen Fragen und dem Willen etwas zu ändern an unserer Situation begann für mich eine Reise zu mir selbst. Ich habe erkannt, dass nicht das Kind das Problem war, sondern wir als Eltern das Kind zum Problem machten.

„Kein Kind ist ein Problem. Jedes Kind ist gut. Es kommt gut zur Welt.“

In Wirklichkeit gehe ich heute sogar ganz klar so weit zu sagen: Wir haben als Eltern das Problem. Ich wollte die perfekte Familie, ich wollte das alles funktioniert. Ich wollte nach außen hin keine Angriffsfläche bieten. Er wurde nicht gefragt. Er reagierte einfach und berührte auf seine ehrliche und kindliche Art unsere wunden Punkte, immer und immer wieder. Wie oft fand ich mich in einem Machtkampf wieder, der aus heutiger Sicht vermeidbar gewesen wäre? Wie oft gab es am Ende zwei Verlierer, weil es sich für keinen schön anfühlte zu streiten? Ich kann es rückblickend nicht mehr zählen, aber ich weiß heute, dass es uns allen, ohne irgendwelche „Ich-sitze-am-längeren-Hebel-Spielen“ so viel besser geht.

Aber wo fängt man an? Wie hebt man die Scherben auf?

Das Leben ist so: Man hat fast immer eine Wahlmöglichkeit. Mit jedem Tag, den wir aufstehen, können wir sagen: Heute packe ich es an. Ich musste mich also hinstellen und sagen: Ja verdammt, ich habe falsch gehandelt. Ich wusste es nicht besser. Ich habe versucht mein Kind zu biegen und ich habe versucht mein Kind zu jemanden zu machen. Ich wollte sozusagen meine Pro-Version schaffen. Wenn ich mir eingestehe, dass ich falsch gehandelt habe, dann kann ich damit anfangen, die Steine aufzuheben und Stück für Stück an mir zu arbeiten.

Das wunderschöne und einzigartige an der Situation von uns Eltern ist: Wir haben es selbst in der Hand. Wir brauchen dafür keinen Lehrgang, Abschluss oder irgendwelche Hilfsutensilien. Wir müssen bereit sein unseren Blickwinkel zu ändern und damit uns zu verändern.  Nur dann werden sich auch die Menschen, um uns herum verändern. Bei Instagram habe ich einen Vergleich mit dem Planetensystem gezogen. Alles steht in Abhängigkeit zueinander. Verändere ich meine Position, verändern auch alle anderen Familienmitglieder oder die Menschen in meinem Umkreis ihre Position.

Theoretisch klingt es so wunderbar einfach und doch bedeutet es, dass wir zulassen müssen, dass es uns weh tut. Wir müssen zulassen unsere eigene Kindheit zu hinterfragen, unsere Glaubenssätze und all das, was wir als „richtig“ und „falsch“ beigebracht bekommen haben. Wir müssen unseren Alltag überdenken und unsere Lebensart und vor allem: uns selbst lieben lernen. Meine Art meinen Kindern heute auf Augenhöhe zu begegnen und den Mut meine „Waffen“ symbolisch abzulegen, wuchs Stück für Stück über viele Monate. Noch heute lerne ich tagtäglich dazu und finde mich selbst.

Inzwischen freut es mich, dass ich so häufig um meine Meinung gebeten werde und man mir ein Ohr schenkt und umso mehr freut es mich, wenn mir Menschen nach Wochen wieder begegnen und mir sagen, dass eine verfahrene Situation prima gelöst werden konnte.

Vielleicht bist du auch gerade an diesem Punkt, dass du von deiner Erziehung genervt bist?

Und weil ich weiß, dass ich auf keinen Fall mit meinen Problemen alleine bin und man mit jedem Tag seine alten Muster Stück für Stück abstreifen kann, habe ich letztes Jahr den Mut gefasst heimlich ein Buch zu schreiben. Ich habe all meine Erfahrungen und meinen Weg hineingepackt und zeige, meine Stolpersteine. Mit diesem Buch möchte ich gerne anderen Müttern dabei helfen, die gesamte Erziehung entspannter angehen zu können und den Blick ein wenig zu schärfen.

Und auch, wenn es aus dem Kontext gegriffen ist und deplatziert wirkt: Wenn es dir momentan mit deiner Erziehung schlecht geht und du mit den Kindern oft Konflikte austrägst oder dir total unsicher bist, wer du eigentlich bist und wie du sein willst: Ich will dich einfach einmal virtuell in den Arm nehmen. 

Mein Buch: Am Ende meiner Nerven sind noch Kinder übrig

Mein Buch findest du ab heute online unter https://amzn.to/2NynY2X* sowie bei allen gängigen Buchhändlern. Sollte es dein Buchhändler nicht verfügbar haben, lohnt es sich nachzufragen.

Ich selbst werde nun ein Gläschen O-Saft köpfen (Sekt mag ich nicht) und ein wenig aufgeregt auf die ersten Rückmeldungen warten <3

DANKSAGUNG:

An dieser Stelle ist es mir ein Anliegen noch einmal jeden Einzelnen von euch ein riesen großes Dankeschön auszusprechen. Mir ist sehr bewusst, dass diese Seite einen erheblichen Beitrag dazu beigetragen hat, dass ich meine Scheuklappen abnehmen konnte. Ich bin ein Stück gewachsen. DANKE

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