In den letzten Tagen erreichten mich mehrere Zuschriften und Mails. Oftmals sind es Eltern, die mir schreiben und aufgrund des gerade angelaufenen „Elternfilms“ verunsichert sind. Im Film werden unter anderem „Schlafprobleme therapiert“. Ich möchte die Inhalte des Films hier ungern ausgedehnt aufgreifen, da ich mir selbst noch kein eigenes Bild vom Film machen konnte und bisher nur die Berichte und einige Ausschnitte kenne. Das, was ich bisher gesehen und gelesen habe, wühlt mich auf und stimmt mich nachdenklich. Ich habe etwas Angst, dass die dort gezeigten Therapieverfahren von Eltern als „alltagstauglicher Umgang mit Kindern“ umgelagert werden könnten, weil vielleicht der Filmtitel ein wenig unglücklich gewählt wurde. Ich möchte gerne heute ein wenig über das Thema Durchschlafen schreiben und wie wir mit einem nicht durchschlafenden Kleinkind gewaltfreie Lösungen gefunden haben.

Am letzten Wochenende saß ich mit meinem Mann beim Frühstück und wir haben versucht zusammen zu rechnen, wie viele Tage wir in den letzten Monaten – zugegeben müsste ich Jahren schreiben – eigentlich durchgeschlafen haben. Unter Durchschlafen verstehe ich das Einschlafen am Abend und Erwachen in den Morgenstunden (nach 5:00 Uhr). Wir kamen noch kurzer Überlegung, seit der Geburt meines Mädchens (22 Monate) auf rund 5 Tage. 5 Tage ist wahrlich nicht viel und doch habe ich – und darum drehte sich ein größerer Teil der Zuschriften – NICHT das Gefühl, dass hier Handlungsbedarf vorliegt.

Wieso ich grundsätzlich erst einmal keinen Handlungsbedarf bei nicht durchschlafenden Babys und Kleinkindern sehe

Ich gehe heute von dem Standpunkt aus, dass Kinder mitunter ihren Schlafrhythmus erst finden müssen und stelle bei allen 3 meiner Kinder fest, dass sie einen recht leichten Schlaf haben und – egal wie alt sie sind – stets jede Nacht kontrollieren, ob alles in Ordnung ist. Oftmals ist es nur ein ganz kurzer Wachmoment, wo eines der Kinder nach meiner Hand sucht oder näher an mich heran rutscht, manchmal ertönt auch ein kurzes „Mama, bist du da?“ und dann schläft es direkt wieder ein. Dieses „Prüfen“ empfinde ich alles andere als merkwürdig, denn aus rein evolutionärer Sicht gibt es dem Kind Sicherheit und wäre früher mitunter sogar überlebensnotwendig gewesen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass dieses Sicherheit holen mit zunehmenden Alter abnimmt.

Ein weiterer Punkt ist der, dass in meinem Umfeld bei genauem Nachhaken ziemlich viele Mütter berichten, dass ihre Kleinkinder ebenfalls des Öfteren nachts aufwachen. Ich selbst kann mich an meine eigene Kindheit noch gut erinnern und auch da war es so, dass ich selbst im Grundschulalter nachts noch das Bett in Richtung Eltern gewechselt habe. Das Problem sehe ich in der Gesellschaft, die uns unterschwellig vermitteln möchte, dass ein Kind nicht normal sei, wenn es nicht in der Lage ist, nach ein paar Monaten auf Erden, fest durchzuschlafen.

Dabei sind die Empfindungen, wann ein Kind eigentlich durchschlafen müsste, recht unterschiedlich. Von 6 Monaten bis zu 1 Jahr ist alles dabei. Besonders bei der älteren Generation stelle ich oft dieses bohrende Nachfragen fest: „Und, schläft es schon durch?“ oder: „In dem Alter könnte das Kind schon langsam in seinem Bett die Nacht durchschlafen.“

Für mich steht fest, dass das Durchschlafen nichts ist, dass Kinder lernen könnten. Zu dieser Überzeugung komme ich allein aus der Tatsache heraus, dass niemand grundlos und mutwillig, um bspw. seine Eltern zu ärgern aus der Schlafphase erwacht. Es handelt sich dabei um einen individuellen Reifeprozess, der sich auf keinen Tag festnageln lässt. Wir können meiner Meinung nach allenfalls Bedingungen schaffen, die das Durch- bzw. schnelle Wiedereinschlafen begünstigen. Das ist mein Standpunkt.

 

Da liegt der Hase im Pfeffer: Nicht durchschlafen normal finden

Für mich liegt ein großer, ja vielleicht sogar der größte Schlüssel darin der Situation des Nicht-Durchschlafens gelassener zu begegnen. Wenn wir uns als Eltern bewusst machen, dass es nicht schlimm ist und auch nichts mit Versagen zu tun hat, nur weil das Baby mit 12 Monaten immer noch all 4 h aufwacht, fällt es uns leichter. Wir sind keine schlechten Eltern, nur weil im Umkreis alle anderen augenscheinlich keine Probleme haben mit Babys Schlaf. Natürlich habe ich Nächte, wo es unglaublich zehrt wieder einmal aufzuwachen und im Halbschlaf zu versuchen das Kind zu beruhigen. Dennoch fällt es bedeutend leichter, wenn man die Situation zunächst einmal als „ist so“ verbucht und sich damit arrangiert. Das ist meine  wichtigste Erfahrung bei der Sache. Es hilft weder mir noch dem Kind, wenn ich mich da reinsteigere. Ich reagiere dann unentspannt, frustriert und übertrage meine schlechten Gefühle auf das Kind. Mein Kind wiederum versteht gar nicht, warum Mama jetzt sauer ist und weint daraufhin nochmal mehr. Schlechte Idee. Auch, wenn es schwer fällt ruhig zu bleiben. Diese Zeit, in der Kinder nicht durchschlafen, ist auf das Leben gesehen recht kurz und damit haben wir noch viele, viele Jahre mit mehr Schlaf vor uns.

morgens, halb vier… Ich mit der Tochter, damals 6 Monate

Atmosphäre, die das Einschlafen begünstigt.

Wir sind im Schlafzimmer auf eine dimmbare Lampe umgestiegen. Seitdem ich nicht mehr stille, ist alles für die Flasche nachts vorbereitet. Ja, sie ist fast 2 und doch bekommt sie nachts noch ihr kleines Fläschchen, wenn sie danach Bedarf hat. Würde ich noch stillen, hätte ich sie also einfach an die Brust gelegt und müsste nichts vorbereiten. Sie liegt dann bei mir, an mich gekuschelt oder wahlweise bei meinem Mann. Wir lassen das helle Licht aus, versuchen eine ruhige Atmosphäre zu schaffen und verhalten uns leise, sodass sie im besten Falle gar nicht erst aufwacht. Nachdem die Flasche geleert ist, wird das Licht wieder gänzlich ausgeschaltet und noch ein wenig gekuschelt. Sie bekommt von uns einen Nuckel, wenn sie danach nachts verlangt und kann damit ihr Saugbedürfnis stillen.

All das würde vielleicht in den Augen anderer Menschen nicht gut für das Kind sein oder unter die Rubrik „zu sehr verwöhnen“ fallen. Für mich ist es unsere Bedürfnisse vereinen. Ich bin mir nicht sicher, ob sie nachts wirklich „Hunger“ hat und deshalb ihre Flasche trinkt. Ich denke es ist für sie vielmehr ein vertrautes Ritual geworden, dass ihr Sicherheit und Nähe gibt und ihr sagt: „Es ist alles in Ordnung, ich bin sicher und kann weiter schlafen.“ Würde ich jedoch, das Licht einschalten, ihr meine Nähe entziehen oder auch nur den Nuckel wegnehmen, wäre ich mir sicher, dass wir alle bedeutend weniger nächtliche Ruhe hätten zu Lasten aller.

Familienbett, weil es besser klappt

Wir haben uns beim 2. Kind (auch aus der Erfahrung beim ersten Kind heraus) für das „Kann-Familienbett“ entschieden. Jedes Mitglied der Familie darf dabei entscheiden, ob es zusammen mit einem Elternteil (manchmal auch beiden) in einem Bett gemeinsam schlafen möchte. Jedem steht es frei auch im Einzelbett zu schlafen (im eigenen Zimmer). Zudem steht es auch den Partnern bei uns frei sich im Einzelbett Schlaf zu gönnen. Allein diese Änderung sorgte bei uns allen für mehr Schlaf, ich weiß aber gleichzeitig, dass es nicht jedermanns Sache ist. Es muss zur Familie passen.

Wer sich für ein Familienbett entscheidet, dem empfehle ich über die 2,20 m hinaus das Bett auf jeden Fall zu verbreitern. Bei kleineren Kindern reicht meist auch erst einmal ein Beistellbett aus. Wir haben anfangs einfach 2 Erwachsenenbetten aneinander gestellt.

Zu zweit ist man weniger allein

In den „Hochzeiten“ mit mehreren aufeinanderfolgenden Nächten des Nicht-Durchschalfens haben wir als Partner zusammen gehalten und uns abwechselnd um die Kleine gekümmert. So konnte zumindest jeder der Elternteile jede 2. Nacht durchschlafen.

Uns hat es auch sehr geholfen hin und wieder die Hilfe der Großeltern in Anspruch zu nehmen. Auch heute schläft machmal die Oma bei uns und unterstützt uns mit den Kindern abends. Diese Momente helfen Kraft zu tanken.

Manchmal hilft es schon, sich einfach bei einer lieben Freundin oder Freund ausheulen zu können über den Ist-Zustand und dabei wertefrei angehört zu werden.


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Habe ich Angst, vor den Konsequenzen meines Verwöhnens?

Auch das werde ich so oft mittlerweile gefragt. Ich würde die Kinder verwöhnen und damit betuddeln und bemutteln und irgendwann rächt sich das doch sicher. Ich habe davor keine Angst, vielleicht auch daraus resultierend, dass ich am Großen mit 7 sehe, wie er selbständig sich von Nuckel, Flasche und Co. gelöst hat, wenn es für ihn an der Zeit war. Ich bin mir sicher, dass sie irgendwann mit zunehmender Reife durchschlafen wird und so auch nicht mehr nach der Flasche verlangt. Sie wird den Nuckel irgendwann ablegen und auch wird eines Tages, der Tag kommen, an dem unser Bett für sie nicht mehr die 1. Wahl sein wird. Diesen Moment kann sie selbst wählen. Das hat für mich nichts mit „keine Grenzen“ zu tun, sondern mit der Vereinigung der Bedürfnisse aller. Ich habe dieses Kind geboren und sehe meine Verantwortung unter anderem darin, ihm die Sicherheit zu geben, die es braucht. Ich sehe meine Verantwortung darin, die Bedürfnisse aller wahrzunehmen und ich sehe meine Aufgabe nicht darin, sie abzuhärten für eine „schlechte Welt da draußen“, wie es so oft gesagt wird. Ich sehe darin Nestwärme, die sie ein Leben lang unterbewusst mit sich tragen wird und immer wieder kann ich Kritikern nur antworten: Ich kenne kein Kind, dass mit 18 im Bett der Eltern schläft, die Brust / Flasche verlangt und einen Nuckel im Mund hat. Dieses von den Eltern lösen ist genauso evolutionär vorgesehen, wie das an sie binden in den ersten Jahren.

3 Monate hat sie nur so auf mir geschlafen

Hier hilft alles nichts, ich bin müde und am Ende meiner Kräfte

Gleichzeitig möchte ich betonen, dass es hier um die Bedürfnisse ALLER geht. Wenn alles versucht wurde und beide Partner einfach keine Lösung sehen und es schwer fällt Gefühle wie Wut, Traurigkeit und Verzweiflung beiseite zu schieben, rate ich unbedingt dazu sich professionelle Hilfe zu suchen, die die Familie und Situation im gesamten beleuchtet. In meinen Augen macht es keinen Sinn, an einem Part (Kinder, Mutter oder Vater) in Selbstversuchen „herzumzudoktern“, da ich eine Familie als eine Art Planetensystem sehe, bei dem alle „Planeten“ in Abhängigkeit zueinander stehen.

Von Programmen, wie „das Kind einfach mal schreien lassen“ kann ich nur abraten, da meiner Meinung nach dabei allenfalls die Symptome behandelt, aber nicht die Ursachen behoben werden. Zudem würde in diesem Fall das Kind die 100% Schuld tragen. Wir zeigen meiner Meinung nach damit, dass sie alleine gelassen werden in ihrer Angst/Not. Auch wenn diese Programme funktionieren, so hören die Kinder nicht mit schreien auf, weil sie es verstanden, sondern weil sie aufgegeben haben. 

Professionelle Anlaufstellen findet man z.B. unter:

 

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P.S. Das Einschlafen werde ich vielleicht in einem gesonderten Beitrag noch einmal beleuchten.