Gastbeitrag von Silke Wildner vom Blog gut-alleinerziehend.de

Unser ganzes Leben streben wir auf etwas zu. Erst war es das Laufen lernen, dann die Abnabelung von den Eltern und das Erwachsenwerden. Welchen Beruf, welche Hobbys und Freunde suche ich mir aus? Wer bin ich und wo möchte ich in 10 Jahren stehen?
Der ein oder andere sucht sich früher oder später eine feste Partnerschaft und gründet seine eigene Familie. Das ganz große Glück ist gefunden und das scheinbar höchste Ziel erreicht. Das empfinden vor allem wir Frauen so. Das erste Kind kommt und mit ihm auch eine große Umstellung.

Aber was wird aus einer Liebe und Partnerschaft, wenn sie ihre großen Highlights hinter sich hat und im Alltag feststeckt?

Wenn der Familien-Traum zerplatzt

Ist deine Partnerschaft noch so, wie du sie auch in 10 Jahren leben möchtest? Oder ist die Liebe verpufft und nur noch das Ausharren auf bessere Zeiten übrig geblieben?
Für viele von uns ist das Leben in der selbstgegründeten Familie über die Jahre alles andere als eitel Sonnenschein. Schwierigkeiten trüben das erstrebenswerte Familienbild und Probleme stehen ins Haus.
Wohin noch streben, wenn man vom Partner betrogen wird? Was wenn man sich nicht mehr viel zu sagen hat oder der Partner einen mit der ganzen Familien- und Haushaltsarbeit alleine lässt? Was passiert, wenn mich mein Partner verlässt oder ich ihn verlassen möchte?
Tja, was nun? Was kommt danach, wenn der mit so viel Energie gehegte Familien-Traum zerplatzt?


Wie es ist alleinerziehend zu werden

Mir ist genau das passiert. Ich hatte mein Leben mit voller Zuversicht gut geplant, einen Beruf erlernt, mich verliebt und eine Familie gegründet. Wir haben geheiratet, ein Haus gekauft und Kinder bekommen.
Mit dem ersten Kind begann sich unsere Paarbeziehung allerdings schon zu drehen. Während ich mich für das Kind aufopferte, fühlte sich mein Mann vernachlässigt. Aus Liebe wurde ein Pflichtgefühl und der Kalender tötete die Spontanität.
Aber wir wahrten das Familienbild. Keiner gab zu, dass er sich nicht richtig wohl fühlte. Ich hakte es ab als: Das ist dann halt so mit Kind. Ich vertraute darauf, dass es schon wieder besser werden würde. Schließlich hatten wir uns mit der Ehe die Treue geschworen.
Und dann – ganz plötzlich – verließ mich mein Mann. Mein Leben war von meinem Traum zu einem Albtraum geworden. Eben noch die zum zweiten Mal frisch gebackene Mutter mit Plänen für die Zukunft und im nächsten Moment mit zwei Kindern alleine und auf sich selbst gestellt.
Alleine schon das Wort „Alleinerziehende“ jagte mir damals eine Heidenangst ein. Ich fing an das Wort zu googeln. Vielleicht hatte ich da ja ein ganz falsches Bild. Aber wo ich auch hinsah, der Kanon war überall der gleiche: Alleinerziehend sein = arm sein. Ich las von Altersarmut, Kinderarmut und von einem aufopferungsvollen Leben, bis dass der Tod mich davon scheidet.

Da stand ich nun und hatte Angst

Musste ich jetzt auch staatliche Unterstützung beantragen und am Rande des Existenzminimums mein Dasein fristen? Schließlich hatte ich meine Festanstellung mit dem ersten Kind aufgegeben. Zu groß war die Diskrepanz zwischen Arbeits- und Familienleben für mich gewesen. Und so hatte ich den Schritt in die Selbständigkeit gewagt. Sollte ich davon dauerhaft eine ganze Familie ernähren können?
Wieso darf mein Mann einfach gehen? Wir haben die Familie und die Kinder doch gemeinsam gewollt. Alleinerziehende wollte ich NIE werden.
Meine Gedanken kreisten. Ich fühlte den Boden nicht mehr unter den Füßen und wünschte mir sehnlichst einen Partner-Ersatz, der das alles mit mir zusammen durchsteht. Nur woher nehmen? Ein Kleinkind, ein Säugling und eine ganz neue Lebenssituation wollten ab sofort gemeistert werden.

Easy dagegen eine Trennung OHNE Kinder
Waren das früher traumhaft schöne Zeiten: Ging eine Beziehung in die Brüche, hat man sich krank gemeldet, gelitten, geheult und stundenlang mit der besten Freundin geredet. Man musste sich nur um sich selbst kümmern. Und das Beste war: Man musste den Ex-Freund NIE WIEDER SEHEN.

Trennung MIT Kind geht anders
Ist ein gemeinsames Kind da, kann der Kontakt mit dem Ex-Partner nicht einfach so abgebrochen werden. Denn das gemeinsame Kind hat ein Recht auf beide Elternteile.
Das alte Trennungs-Überwindungsmuster funktioniert also nicht mehr. Auch der Alltag verläuft anders mit Kind. Es dreht sich nicht mehr alles nur um mich. Mein Kind hat ebenso eine wichtige Bezugsperson im täglichen Leben verloren und diese Trauer gilt es aufzufangen.
Die beste Freundin steckt meist auch gerade zwischen Kind und Karriere fest. Was bleibt sind kurze Telefonate, hellhörige Kinderohren und viel Alltags-Organisation. Und so staut sich allmählich ein großer unverdauter Berg aus Gedanken, Gefühlen und Fragen auf.

Hol dir Hilfe!

Warum ist ausgerechnet mir das passiert? Was habe ich denn falsch gemacht? So ähnlich kreisten auch meine Gedanken. Ich suchte die Ursachen immer wieder bei mir und zog mich dadurch immer weiter selbst runter statt rauf.
Daher mein ganz ernst gemeinter Rat: Wenn du merkst, dass dieses Erlebnis zu groß und mächtig für dich ist, um es alleine verarbeiten zu können, dann such dir bitte Hilfe. Du bist nicht die erste Frau, die in Trennung lebt. Hilfe findest du bei Einrichtungen wie ProFamilia oder einem Therapeuten. Es gibt auch sogenannte Therapie „light“ Angebote, die über Internet und Telefon funktionieren.
Damit schaffst du es, dich wieder zu beruhigen und das Hier und Jetzt wieder wahrzunehmen. Denn deine Gegenwart ist nicht mehr die Trennung, sondern der Beginn deines neuen Lebens.

Wie geht es nach der Trennung weiter?

Vermutlich würdest du mir nach dieser Geschichte sämtliche Verhaltensweisen meinem Ex-Ehemann gegenüber durchgehen lassen. Die Vorwürfe, bösen SMS und Anschuldigungen konnte ich mir anfangs auch nicht verkneifen. Sie mussten einfach raus.
Das Problem daran ist, dass dich diese negativen Gedanken und Gefühle immer direkt mit in die Tiefe reißen. Sie saugen deine Energie auf und lähmen dich. So gut es auch tut, den Gedankenmüll jemanden an den Kopf zu schmeißen. Es ist tatsächlich kontraproduktiv und bringt dich keinen Schritt weiter. Schlimmer noch: Die negativen Gedanken halten dich in der Vergangenheit fest.
Wenn ich an meine Kinder denke, dann bin ich heute sehr froh, dass ich damals darauf geachtet habe, nicht direkt vor ihnen emotional zu platzen. Es ist schon schlimm genug, dass sie ihren Vater im Alltag verloren haben. Das tut mir unendlich leid. Sie sollen ihr Verhältnis zu ihrem Vater aber selbst bestimmen können und nicht Mama „in Schutz nehmen“.

Die neue Trennungsbewältigung MIT Kind

Zur Ruhe kommen. Es gibt jetzt viel zu tun. Dein Leben wird sich komplett ändern. Aber lass dir Zeit. Finde gute, ruhige Momente für dich selbst. Der Rest findet sich, Schritt für Schritt.

Höre und achte auf dich selbst. Du bist in deinem Leben am wichtigsten. Wenn es dir gut geht, dann geht es auch deinen Kindern gut. Vernachlässige deine Bedürfnisse nicht, sie sind wichtig für dein Wohlbefinden.

Komm raus aus der Opferrolle. Auch wenn du nichts für die endgültige Trennung kannst, du hast dir diesen Partner ausgesucht. Warum gerade ihn? Hier auf Spurensuche in dir selbst zu gehen ist sehr hilfreich. Denn:

Verzeihe dir für die Wahl des Partners und schließe mit der Vergangenheit ab. Mit der Ent-Täuschung über den Partner ist deine Täuschung beendet. Was hast du in ihm gesehen? Wie ist er in Wirklichkeit? Wieso hast du dich täuschen lassen? Wenn du erkennst, dass dein Bild von ihm nicht der Wirklichkeit entspricht, dann kannst du traurig über diese Erkenntnis sein. Aber dein Traumbild war nicht real. Somit gibt es keinen Grund an der Vergangenheit zu hängen.

Bewusst positiv denken. Überlege dir, was durch die Trennung besser geworden ist. Diese positiven Erkenntnisse helfen dir, dem noch unbekannten Neuen mehr zu vertrauen.

Finde einen Gesprächspartner auf Augenhöhe. Suche dir unbedingt ein Gegenüber zum Reden und Aufarbeiten, aber lass die Kinder raus. Setze sie durch deinen Ärger nicht zwischen die Stühle. Lass sie selbst herausfinden, was an Papa toll oder nicht.

Schau nach vorne und nimm dein Leben in deine Hände. Es wird besser! Es ist gut, dass die Beziehung zu Ende ist. Mit Kind trennt man sich nicht einfach so, das ist schon gut überlegt und somit endgültig. Nur so kannst du nach vorne blicken und tun, was getan werden muss.

Bleib in der Gegenwart, lebe nicht mehr in der Vergangenheit. Lebe dein neues Leben ganz bewusst in der Gegenwart und entscheide einfach von Minute zu Minute, was als nächstes kommt. Dadurch bekommst du Vertrauen in dich selbst und merkst, dass das neue Leben (stellenweise) schon okay ist.

Finde Kommunikationswege mit dem Ex-Partner. Ihr habt ein Kind und das hat sich von keinem von euch getrennt. Daher müsst ihr als Eltern Wege der Kommunikation und Umgangsregelungen finden. Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr.


Was ich Müttern, die Angst vor der Trennung haben, mit auf den Weg geben möchte

Die Trennung von meinem Mann war das schlimmste Erdbeben in meinem Leben. Ich habe ihn gehasst für alles, was er mir damit angetan hat. Aber durch diese umwälzende Kraft, sind Steine ins Rollen gekommen, die ich nie von alleine angefasst hätte. Sie haben Platz gemacht für ein gutes neues Leben. Ein erstrebenswertes Leben mit neuen Zielen und ganz viel Freude und Elan.
Ich hätte mich nie getrennt, ich hätte ausgeharrt und auf bessere gemeinsame Zeiten gehofft. Darüber wäre ich alt und grau und vermutlich auch ziemlich krank geworden. Ein sehr hoher Preis. Denn das etwas im Argen lag, das konnte ich spüren, aber ich wollte nie die Konsequenzen ziehen.

Das nach dem Ziel Ehe noch andere Ziele möglich sind, sagt einem ja keiner. Viel zu groß ist die Angst vor dem persönlichen Scheiterhaufen einer Scheidung. Ein Grund warum viele Paare in einer Existenz verharren, die nichts mehr mit dem echten Leben, Freude und Freiheit zu tun hat.

Ich habe den „Worst Case“ meines Lebens hinter mir und bin nicht daran gescheitert. Die Angst, den Partner zu verlieren, ist weg. Das befreit ungemein 🙂


Seitdem ich alleinerziehend bin, hat sich meine finanzielle Situation kilometerweit verbessert. Ja, das geht, denn mein Ex-Mann lebte gerne auf großem Fuß. Ich bin viel zufriedener und ausgeglichener. Meine persönlichen Bedürfnisse, Wünsche und Projekte werden nicht mehr hinten angestellt. Die Kinder haben ihren Vater als direkte Bezugsperson zwar verloren, aber durch den Umzug in meine alte Heimat eine große Familie dazu gewonnen.

Das ist für mich mein neues, unglaublich erstrebenswertes Leben geworden. Wo ich in 10 Jahren sein werde, weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass es 10 verdammt gute Jahre sein werden.

Mehr über das gute Leben als Alleinerziehende findest du auf meinem Blog gut-alleinerziehend.de und in der Facebook Gruppe Gut alleinerziehend.

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