Mich erreichen mittlerweile immer mehr Nachfragen, wie ich es geschafft habe an der Universität zu studieren ohne ein „richtiges Abitur“, sodass ich den Plan gefasst habe alle mir vorliegenden Informationen hier zu sammeln. So kann vielleicht dem einen oder anderen damit geholfen werden. Leider ist es so, dass unser Bildungssystem und die unterschiedlichen Zugangsmodalitäten für Hochschulen auf den ersten Blick ziemlich undurchsichtig sind und hinzu noch die unterschiedliche Handhabung in den Bundesländern kommt. Schließlich ist Bildung Ländersache. Genau an dem Punkt fand ich mich 2018 wieder und war erst einmal nur eines: Überfordert. Der Iststand war – ich wollte berufliche Veränderung und studieren und hatte kein Abitur. Mit dieser Ausgangsbasis machte ich mich auf den Weg durch den Dschungel an Optionen.
Aber erst einmal zu mir: Ich bin Sabrina, 30 Jahre alt, Mutter und habe einen ersten Beruf gelernt und darin gearbeitet. 2007 habe ich die Ausbildung zur Bürokauffrau direkt im Anschluss an meine mittlere Reife angeknüpft und dann auch in diesem Beruf unterbrochen von Elternzeiten gearbeitet. 2015 habe ich mich nebenbei mit Mamahoch2 selbständig gemacht und seit 2017 lag mein Fokus dann auf der Selbständigkeit. In meinen alten Beruf bin ich seitdem nicht wieder zurück gekehrt. Mit der Selbständigkeit wuchsen die Möglichkeiten und so fasste ich den Beschluss beruflich noch einmal etwas ganz neues zu machen, nicht weil ich es musste, sondern weil ich es wollte. Einen Beitrag hierzu findest du auf meinem Instagramkanal. Für mich stand fest, dass ich studieren wollte und ich wusste genau was mir vorschwebte: Lehramt am besten mit Kunst im Nebefach.
Und da war auch schon die erste Schranke im Kopf. Bevor ich dieses Kapitel überhaupt öffnen konnte, schien es sich bereits wieder zu schließen. Ich hatte kein Abitur und dieses benötigt man doch eigentlich, um an einer Universität studieren zu können oder etwa nicht? Also begann eine lange Recherche mit vielen möglichen Wegen, wie man es doch schaffen kann an eine Universität zu kommen….
Das Ding mit der allgemeinen Hochschulreife – Unizugang ohne Abitur?
Variante 1: allgemeine Hochschulreife an einer staatlichen Schule nachholen – Der Weg, wenn man keine berufliche Vorbildung besitzt
Zunächst verfestigte sich in meinem Kopf die Annahme, dass eine allgemeine Hochschulreife nur auf einem Weg möglich sei: Abitur nachholen und um die anerkannte allgemeine Hochschulreife zu erlangen, hätte ich laut meinen Recherchen mindestens 2 Jahre, wenn nicht gar 3 aufwenden müssen. Das saß – so viel Zeit würde ich dafür benötigen und sich der Studienstart damit immer weiter in die Ferne schieben. Der Magen zog sich zusammen und ein Gefühl sagte mir, dass das nicht mein Weg sein kann.
Falls du das gerade liest und keine abgeschlossene Berufsausbildung in den Händen hältst, dann möchte ich dir sagen: Genau das wäre dein Weg, den du in dem Fall einschlagen solltest. Um Kosten zu sparen empfehle ich dir einen Aufnahmeantrag an einer staatlichen Schule zu stellen. Hier in Thüringen gibt es neben Abiturklassen an ganz normalen Gymnasien auch berufliche Gymnasien. Beide Schulformen würden in 3 Jahren zum Abitur führen.
Variante 2: Der Zugang über Zweitstudium
Ich recherchierte weiter und fand heraus, dass man sich durchaus mit einem abgeschlossenen ersten Studium einen Zugang zur Universität verschaffen könne. Der Vorteil lag darin, dass ich hierfür keine allgemeine Hochschulreife benötigen würde, sondern lediglich eine fachgebundene Hochschulreife (kurz Fachabitur). Der Werdegang wäre folgender: Fachhochschulreife in einjähriger Form absolvieren (einjährig ist immer dann möglich, wenn man eine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen kann), etwas in Richtung Soziales studieren oder einen Studiengang, den man sich im besten Falle sogar anteilig anrechnen lassen kann. Studium abschließen und mit dem abgeschlossenem Studium wiederum an der Uni einschreiben. Ich gebe zu, dass dieser Weg nicht der Kürzeste ist, dennoch würde man im Vergleich zu Variante 1 nicht so viel Zeit für das Abitur verbrauchen, sondern bereits nach dem 1. Jahr an der FH studieren können.
Dieser Weg ist umständlich und nur zu empfehlen, wenn du dein Fachabitur direkt mit der Ausbildung erworben hast (gleich dazu mehr) oder bereits ein erfolgreich abgeschlossenes Studium an einer FH vorweisen kannst.
Variante 3: Zugang über berufliche Qualifizierung
Was einige noch nicht wissen ist, dass die Hochschulzugangsmodalitäten vor einigen Jahren angepasst wurden. Auf diese Weise ist es möglich auch ohne allgemeine Hochschulreife zu studieren. Hier unterscheiden sich jeweils nach Art der Voraussetzungen nochmals die Zugangsmöglichkeiten.
Ich möchte die unterschiedlichen Wege kurz anschneiden:
- Studieren mit einem fachgebundenen Hochschulzugang durch berufliche Qualifizierung
- Studieren durch Aufstiegsfortbildungen
- Zugang für sonstige beruflich Qualifizierte
Studieren durch berufliche Qualifizierung und für sonstige beruflich Qualifizierte ist immer dann möglich, wenn man einen Beruf erlernt hat und in diesem mehrjährige Berufserfahrungen vorweisen kann. Einige Universitäten erlauben in diesem Fall ein Probestudium oder Aufnahme über Eignungstests. Der Haken an der Sache: Hier können nur Studienrichtungen studiert werden, die auf den ursprünglichen Beruf aufbauen, sprich thematisch verwandt sind. Auch sind die Voraussetzungen und Entscheidungsmodalitäten immer abweichend. Für mich war diese Möglichkeit jedoch direkt ausgeschlossen.
So habe ich es geschafft – ohne allgemeine Hochschulreife
Die nächste Möglichkeit ist die Qualifizierung für Inhaber beruflicher Aufstiegsfortbildungen. In dem Beispielen wird etwa Techniker aufgeführt oder Meister. Diese Fortbildung muss durch ein Zertifikat und ggf. weitere Bescheinigungen über den Stundenumfang nachgewiesen werden. Was meistens jedoch nicht erwähnt wird, dass es auch über einjährige Vollzeitweiterbildungen möglich ist und zum Beispiel die Fachhochschulreife (ABER NUR WENN MAN SIE NACH DER AUSBILDUNG ERWIRBT!!!!) in diese Kategorie fällt. Ich habe diese Tatsache nur durch Zufall erfahren und war heilfroh, dass mir es durch die Studienberatung verraten wurde.
Der Werdegang – und das ist die meist gestellte Frage in Sachen Studium, dir mir gestellt wurde – ist folgender:
- anerkannte Berufsausbildung KEIN Fachabitur direkt mit abschließen (WICHTIG!!!!)
- Berufserfahrung
- Fachabitur nachholen (ob in Teilzeit oder Vollzeit spielt gar keine Rolle)
Trick: Durch die abgeschlossene Berufsausbildung hat man die Möglichkeit das Fachabitur in der einjährigen Form nachzuholen. Zieht man Ferien davon ab, sind es nicht einmal 8 Monate. Damit konnte ich schlussendlich den Antrag auf Feststellung der Gleichwertigkeit meines Abschlusses stellen und mich anschließend bewerben und später immatrikulieren (Mein Studiengang war mit Nummerus Clausus versehen).
Meine Tipps, wenn du ohne Abitur doch noch studieren möchtest:
Der Wichtigste Tipp überhaupt ist wohl: Es ist nie zu spät und wo eine Wille ist, da ist auch ein Weg. In der Vergangenheit habe ich gemerkt, dass die Informationen nicht immer auf der Straße liegen und man sich manchmal regelrecht durchfragen muss. Ein Tatsache hätte mir aber schon entscheidend eher geholfen: Einfach bei der Uni anrufen, einen Termin bei der Studienberatung vereinbaren und direkt die Voraussetzungen erwähnen, wie z.B. „Ich bin Bürokauffrau, würde mich gerne beruflich verändern, habe einige Zertifikate und bräuchte eine Beratung, wie der weitere Werdegang aussehen müsste, um studieren zu können.“ Mitunter hat man vielleicht das Glück mit anerkannten Zertifikaten bereits auf die Pflichtstunden zu kommen (es waren über 200), um als „beruflich qualifiziert“ eingestuft zu werden und selbst wenn nicht, dann sitzen dort die Menschen, die sich mit den rechtlichen Voraussetzungen gut auskennen.
Ein weiterer Fakt ist auch noch wichtig: Bildung ist Ländersache und so können von Bundesland zu Bundesland weitere Unterschiede bestehen. Um überhaupt eine Ahnung davon zu bekommen, lohnt sich ein Blick ins Hochschulgesetz des jeweiligen Bundeslandes. Im Hochschulgesetz (einfach mit dem entsprechenden Bundesland dazu googlen), findet sich der Punkt Allgemeine Hochschulzugangsvoraussetzungen (hier Thüringen verlinkt) sowie Besondere Hochschulzugangsvoraussetzungen. Hier kann man zumindest die rechtliche Seite schon einmal beleuchten und seine Möglichkeiten grob abwägen. Gut zu wissen wäre vorab, welcher Studiengang es sein soll und auch ob Universität oder Fachhochschule.
Tipp falls du die Fachhochschulreife nachholen willst, um dir so Zugang zur Uni zu verschaffen:
Ich bin 30 und habe mein Fachabi in einer ganz gewöhnlichen Klasse nachgeholt an einer staatlichen Schule. Auch, wenn der Gedanke zunächst absurd erscheint, so haben diese keine Altersbeschränkungen. Der Vorteil liegt auf der Hand: Es entstehen dir keine zusätzlichen Fortbildungskosten und du hast die Sicherheit, dass es anerkannt ist und du ein Zeugnis in der Hand hältst, mit dem du später etwas anfangen kannst. Zudem ist es keine verschenkte Zeit in meinen Augen das Fachabi einfach nachzuholen. Es wertet ja doch den Abschlussgrad auf.
Auch noch wichtig:
Für beruflich Qualifizierte muss!!!! das Annerkennungsverfahren (zumindest in Thüringen) vor Immatrikulation durchlaufen werden. Es handelt sich dabei um einen bürokratischen Prozess, bestehend aus einem Formular. Hierfür werden sämtliche Zeugnisse und Berufsabschlüsse benötigt. Die Abschlüsse, die maßgeblich für den Zugang sind sogar beglaubigt. Zwischen der Einschreibefrist und den Prüfungen ist nicht all zu viel Zeit, weshalb du diese Formalität nicht auf die lange Bahn schieben solltest. Sobald der Abschluss vorliegt, sollte der Antrag gestellt werden.
Das war es dazu von meiner Seite. Falls du Fragen hast, kannst du gerne eine Nachricht hinterlassen per Kommentar oder mich bei Insta anschreiben <3 Ich möchte an der Stelle noch sicherheitshalber erwähnen: Ich bin keine Rechtsberatung. Alle Angaben ohne Gewähr. Sie beruhen allein auf meine Erfahrungen.
Es grüßt dich lieb Sabrina